Sinnesreize, Sprache und Erfahrung

Ontologie - Ansatz und Fragestellung

Die Ontologie gehört zu den zentralen Schwerpunkten der Philosophie Quines. Schon 1934 erschien der Aufsatz Ontological Remarks on the Propositional Calculus, dem zahlreiche weitere Aufsätze und Buchkapitel zu diesem Thema folgten.

Quine geht es zunächst – wie der philosophischen Tradition – um eine Klärung des Begriffes „Sein“, den er aber in dem eingeschränkten Sinne der Existenzannahme bzw. -voraussetzung einer Theorie versteht. Die Ontologie habe vor allem zu klären, welche Entitäten es im Rahmen einer Theorie gibt. Ihre erste Frage lautet daher „Was gibt es?“ („What is there?“). Quine will allerdings nicht wie etwa Carnap alle metaphysischen Fragen auf systeminterne oder pragmatische Fragestellungen reduzieren, da für ihn aufgrund seines methodologischen Monismus die Trennung von systeminternen und -externen Fragen unmöglich geworden ist.

 

Quine billigt der Ontologie keinen autonomen Bereich zu. Sie unterscheidet sich von den einzelnen Naturwissenschaften nur durch ihre Allgemeinheit. Wie alle Wissenschaft ist auch die Ontologie grundsätzlich empirisch und revidierbar. Letzte „checkpoints“ sind immer Sinnesdaten. Die Aufgabe der Ontologie ist es, einerseits im Dienste der Naturwissenschaft die verborgenen ontologischen Voraussetzungen einer Theorie deutlich zu machen. Andererseits geht es der Ontologie aber nicht nur um eine bloße Explikation impliziter Existenzannahmen, sondern um eine aktive Reglementierung mit dem Ziel größtmöglicher Einfachheit und Ökonomie.

Bei den Gegenständen der Ontologie haben wir es nach Quine stets mit Setzungen zu tun, die auf unserer Kreativität beruhen. Trotzdem sind diese Setzungen nicht vollkommen willkürlich, sondern werden durch die Realität nahegelegt. Das gilt ebenso für wissenschaftliche Objekte wie für die Gegenstände des Alltags, der Mythen und der Poesie.



Ontologische Verpflichtungen

Die Frage, was es gibt, ist für Quine nicht auf direktem Wege zu beantworten. Sie muss ersetzt werden durch die Frage, welche „ontologischen Verpflichtungen“ (ontological commitments) wir in unseren Aussagen eingehen, das heißt welche Entitäten wir stillschweigend mit ihnen annehmen.

Ontologische Verpflichtungen lassen sich erst dann transparent machen, wenn die Aussagen in „kanonischer Notation“, also in quantorenlogischer Form vorliegen. Durch Quantoren werden Variablen gebunden bzw. quantifiziert, was einer Existenzbehauptung gleichkommt. Dies ist der Sinn von Quines bekanntem Slogan „Sein heißt der Wert einer gebundenen Variablen sein“ („to be is to be the value of a bound variable“). Ontologisch verpflichten wir uns in unseren Aussagen auf diejenigen Entitäten, die zum Wertebereich der Variablen in unseren wahren Aussagen gehören müssen.

Die Gegenstände, über die wir sprechen und denen wir Existenz zuschreiben, sind nach Quine letztlich Produkte unserer Setzung (posit). Dies gilt für den Alltag ebenso wie für die Wissenschaft: „Tische und Schafe haben, in letzter Konsequenz, ziemlich den gleichen Status wie Moleküle und Elektronen.“ Welche Entitäten wir als existent voraussetzen, wird letztlich bestimmt durch die „Einfachheitsüberlegungen und pragmatischen Vermutungen in bezug auf die Frage, wie das umfassende System im Zusammenhang mit der Erfahrung weiterfunktionieren wird.“ Trotzdem beschäftigen sich ontologische Theorien nicht mit bloßem Schein, sondern sind Mutmaßungen über die Beschaffenheit der Wirklichkeit.



Entitäten

Während die Umgangssprache sich durchaus mit einer verwaschenen Ontologie zurechtfinden kann, hat für Quine der Wissenschaftler eine Entscheidung zu treffen, welchen Wertebereich er für seine Variablen zulassen will. Dabei geht es um eine Lösung, die so sparsam, eindeutig und naturwissenschaftlich nützlich wie möglich ist. In Word and Object erkennt Quine nur zwei Typen von Entitäten an: physische Gegenstände und Klassen.

Nach Quine dürfen keine Entitäten akzeptiert werden, zu denen keine Identitätsbedingungen angegeben werden können („no entity without identity“). Die Identitätsbedingung eines Gegenstandes hängt dabei mit dem Individuationsprinzip zusammen, das für jede Gegenstandsart unterschiedlich sein kann. Für physische Gegenstände besteht die Identitätsbedingung in ihrer raumzeitlichen Lokalisierung, Klassen hingegen sind identisch, „wenn ihre Elemente identisch sind“.



Physische Gegenstände

Quine zählt zu den physischen Gegenständen (Dingen) sowohl Körper als auch Stoffe. Körper (Tische, Hasen etc.) sind wohlkonturiert und daher grundsätzlich zählbar, Stoffe dagegen (Milch, Holz, Zucker etc.) sind amorph und können nicht gezählt werden. Ihre gemeinsame Eigenschaft ist, dass sich ihr materieller Inhalt über ein vierdimensionales Raumzeitgebiet erstreckt.

Quine unterscheidet nicht wie verschiedene traditionelle Auffassungen Dinge von Ereignissen, Zuständen oder Prozessen. Sowohl Dinge als auch Prozesse lassen sich in zeitliche Abschnitte einteilen. Die Zeitscheiben eines Gegenstandes sind dabei für Quine ihrerseits als physische Gegenstände zu betrachten. So ist ein Tisch ein materieller Inhalt eines Raum-Zeit-Gebietes, der sich räumlich und zeitlich beliebig teilen lässt, wobei jeweils weitere, entsprechend kleinere physische Gegenstände entstehen. Setzt man die tischartigen Zeitscheiben wieder zusammen, erhält man den ursprünglichen Tisch, den man sich als einen raumzeitlichen „Wurm“ vorstellen kann.



Klassen

An abstrakten Entitäten lässt Quine nur Klassen zu. Er definiert sie rein extensional als die Menge ihrer Elemente. Im Unterschied zu Eigenschaften beinhalte der Begriff der Klasse keinerlei intensionale1 Komponenten.

Während Quine sich 1947 in einem mit Nelson Goodman verfassten Aufsatz noch zum Nominalismus bekannt hatte, nahm er diesen wenig später wieder zurück, weil die Wissenschaft nicht ohne abstrakte Gegenstände auskommen könne. Die Physik könne auf nominalistischer Grundlage nicht betrieben werden, weil sie Mathematik enthält, die „bis zum Hals in Verpflichtungen auf eine Ontologie abstrakter Entitäten“ stecke.

Die Ontologie abstrakter Gegenstände (Zahlen, Funktionen, Relationen etc.) lässt sich Quine zufolge auf Klassen reduzieren. So könne die Zahl „12“ mit der Extension des Prädikats „hat 12 Elemente“ identifiziert werden. Sie trifft z. B. auf die Klasse der Apostel wie auch auf alle anderen Klassen mit zwölf Elementen zu. Relationen können als Klassen geordneter Paare verstanden werden. So sei die Relation „Bruder-Sein“ als die Klasse aller geordneten Paare aufzufassen, deren Elemente Brüder voneinander sind.



Das ontologische Debakel

Im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit der modernen Physik bricht Quine im Jahre 1976 in dem Aufsatz „Whither Physical Objects?“ mit seiner bisherigen Ontologiekonzeption. Aufgrund dieses „ontologischen Debakels“ (ontological débacle) wendet er sich fortan von ontologischen Fragen immer mehr ab.

Quine sieht das Problem, dass das Sprechen von einem materiellen Inhalt einen atomistischen Materiebegriff voraussetzt, der durch die moderne Physik zweifelhaft geworden ist. In dieser scheint die eindeutige Zuordnung eines Elementarteilchen zu einer bestimmten Raum-Zeit-Stelle nicht mehr möglich. Für Quine ist so sein eigener Körperbegriff nicht mehr haltbar. Die moderne Physik zwinge uns dazu, auf die „ground elements“ zu verzichten, die auf der untersten Ebene der Klassenhierarchie als Individuen fungieren könnten.

Physikalische Gegenstände können nach Quine richtiger als Koordinatenwerte in Raum-Zeit-Gebieten beschrieben werden. Für jeden Punkt in der Raumzeit benötigt man vier Zahlen, ein Quadrupel; ein Gebiet lässt sich mit einer Klasse von Zahlenquadrupeln identifizieren. Es ergibt sich so eine Ontologie, die auf die Annahme physischer Gegenstände verzichtet und ausschließlich abstrakte Gegenstände, Klassen, enthält. Für Quine ist es eine Ironie, dass gerade die Physik selbst uns zu dieser anti-physikalischen Reduktion zwingt.

 

Natürliche Art

Mit dem Begriff der natürlichen Art (engl. natural kind) werden in der Analytischen Philosophie Mengen von Dingen bezeichnet, die nicht von Menschen geschaffen sind und die sich, unabhängig von menschlichen Interessen, Begriffen und Konventionen, in verschiedenen Hinsichten untereinander ähneln. Beispiele hierfür sind Elementarteilchen, chemische Elemente und biologische Arten.

Von natürlichen Arten werden zumeist künstliche Arten unterschieden, die nur das Interesse des Klassifizierers widerspiegeln und nicht irgendeine relevante Eigenschaft der klassifizierten Objekte selbst (z. B. „Schuhe unter $100“).

Hinter der Einteilung in natürliche Arten steht die Idee, dass all ihren Mitgliedern eine Menge von Eigenschaften gemein ist, die für diese Art konstitutiv und damit charakteristisch sind. In der philosophischen Debatte werden vor allem der ontologische Status natürlicher Arten und die erkenntnistheoretische Frage diskutiert, ob bzw. auf welche Weise sie zuverlässig bestimmt und unterschieden werden können.

 

 

Sinn und Existenz

Ich verstehe unter »Existenz« die Tatsache, dass ein Gegenstand oder einige Gegenstände in einem Sinnfeld erscheinen. Im Allgemeinen bestehen viele Felder ohnehin, sodass zu existieren meist bedeutet, Anteil daran zu haben, wie es sich in einem maximal modal robusten Sinn verhält. Dies bedeutet nicht, dass alle Gegenstände ausschließlich in modal robuste Tatsachen eingebettet sind. Einige Gegenstände sind konstruiert, mindestens in dem anspruchslosen Sinn, dass sie in Tatsachen involviert sind, die nicht bestanden hätten, wenn es keine Menschen gegeben hätte. So wie mentale Zustände trivialiter davon abhängen, dass jemand sie hat, werden noch viele weitere Tatsachen durch uns produziert, das heißt, sie existieren ontologisch abhängig von uns. Demnach ist es weder der Fall, dass alle Gegenstände konstruiert sind, noch, dass dies für überhaupt keinen Gegenstand gilt.

 

 

1 Intension - Die Intension eines Satzes (bei Frege: der Sinn eines Satzes) sind nach verbreiteter, umstrittener Auffassung sein Sinn, Inhalt oder der ausgedrückte (subjektive) Gedanke oder eine Proposition, nach Frege ist der Sinn eines Satzes sein Gedanke (in einem objektiven Sinn). Nach Rudolf Carnap ist die Intension eines Satzes die durch den Satz bezeichnete Proposition.

 

Darüber, was Intension und Begriffsinhalt sind, gehen die Meinungen in der Logik auseinander. Nach einer häufig vertretenen Auffassung besteht die Intension eines Begriffes aus der Gesamtheit der Merkmale oder Eigenschaften – die Terminologie ist hier uneinheitlich –, die den Dingen, die er umfasst, faktisch gemeinsam sind oder die die Schnittmenge ihrer notwendigen Merkmale ausmachen. Demnach enthält die Intension des Begriffes „Mensch“ die Merkmale belebt, sterblich, auf zwei Beinen gehend, ungefiedert, vernunftbegabt, Werkzeuge produzierend etc.

Begriffsmerkmale treten hauptsächlich bei der Definition eines Begriffs in Erscheinung:

  • Menschen sind auf zwei Beinen gehende ungefiederte Lebewesen.

    Oder:

  • Menschen sind vernunftbegabte Lebewesen.

Keine dieser Definitionen macht von allen Merkmalen Gebrauch, die allen Menschen gemeinsam sind; beide kommen z. B. ohne das Merkmal sterblich aus. Trotzdem erfüllen sie ihren Zweck, nämlich aus einem Diskursuniversum, das nur physische Dinge umfasst, trennscharf diejenigen herauszufiltern, die unter den Begriff „Mensch“ fallen. Wäre dagegen von einer Welt die Rede, in der auch für vernunftbegabte Unsterbliche Platz ist, z. B. für die Göttinnen und Götter des Olymp, so müsste die zweite Definition, um diese Funktion zu erfüllen, durch die Hinzunahme des Merkmals sterblich verengt werden.

Die Beispiele zeigen außerdem, dass Begriffe mit verschiedener Intension im selben Diskursuniversum dieselbe Extension haben können: „auf zwei Beinen gehende ungefiederte Lebewesen“ und „vernünftige Lebewesen“ sind extensional gleiche Begriffe. Das Umgekehrte gilt nicht: Begriffe mit verschiedener Extension besitzen im selben Diskursuniversum stets verschiedene Intension.